Das Marktumfeld
Das erste Halbjahr 2023 verlief für die Kapitalmärkte besser als erwartet, obwohl die Volkswirtschaften mit vielen Unsicherheiten zu kämpfen hatten. Vor allem die Einflussgrößen Inflation, Geldpolitik und Konjunktur prägten das Marktumfeld und viele Marktteilnehmer erwarteten, dass es eine Rezession benötigt, um die Inflation wieder in den Griff zu bekommen. Die konjunkturellen Bremsspuren sah man vor allem im verarbeitenden Gewerbe, das wegen steigender Kosten und schwächerer Nachfrage gelitten hat. Der Dienstleistungssektor hingegen blieb erstaunlich robust. Ein starker Arbeitsmarkt, aufgestaute Ersparnisse und der Wunsch, die während der Covid-Pandemie verpassten Erlebnisse nachzuholen, scheinen die Belastung durch höhere Kosten und Zinssätze aufgewogen zu haben.
Die Befürchtung, dass es in Europa zu Rationierungen von Energie aufgrund Rohstoffengpässen kommen würde, belastete zu Jahresbeginn die Investitionsneigung sowie die Wirtschaft. Der ungewöhnlich warme Winter verhalf jedoch dieses Worstcase-Szenario zu verhindern. Die Preise bei Öl und Gas fielen daraufhin sogar unter das Niveau vor Kriegsbeginn.
Obwohl die Zeichen bei der Inflation mittlerweile auf Entspannung stehen, haben die Notenbanken ihren in 2022 begonnenen Weg der Zinserhöhungen auch 2023 weiter fortgesetzt. Vor allem die Kerninflation (Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel) hält sich sowohl dies- als auch jenseits des Atlantiks hartnäckig auf hohem Niveau. Deshalb werden auch im zweiten Halbjahr weitere Zinsanhebungen erwartet, wenngleich das Ende des Zinserhöhungszyklus nicht mehr weit ist.
Aktienmarkt
Nach einem schwierigen Jahr 2022 zeigte sich der Aktienmarkt im ersten Halbjahr 2023 gut erholt. Obwohl der konjunkturelle Gegenwind verstärkt zu spüren war, konnten vor allem europäische und japanische Aktien zulegen. Dies war um so erstaunlicher, da vor allem das Umfeld für europäische Aktien extrem kritisch gesehen wurde und sich bei vielen Investoren in einer deutlichen Untergewichtung der Region Europa widerspiegelte.
Für die Märkte gab es jedoch noch weitere Hürden, die im ersten Halbjahr zu nehmen waren. Die Krise der Regionalbanken in den USA mit dem Scheitern von drei signifikanten Banken und das Drama um die US-Schuldenobergrenze erhöhten kurzfristig die Unsicherheit an den Märkten. Während eine drohende Zahlungsunfähigkeit der US-Regierung abgewendet werden konnte, sind die Ursachen für die Bankenschieflage weiter gegeben, welche aktuell jedoch für keine nennenswerte Verunsicherung sorgen.
Und so liest sich in Summe die Bilanz am Aktienmarkt vor allem bei den etablierten Aktienmärkten umso besser. Die europäischen Indizes wie der Euro Stoxx 50 konnte knapp 16% zulegen, dicht gefolgt von den japanischen Aktien mit knapp 15%. Der amerikanische Aktienmarkt legte in Form des Dow Jones mit circa 4% zu, während die Wachstumstitel der Nasdaq um über 30% zulegten. Insbesondere die Technologiewerte haben die Indizes mit nach oben gezogen. Im vergangenen Jahr verhielt sich es sich noch umgekehrt. Hier haben die Standardtitel deutlich weniger nachgegeben als die Wachstumswerte.
Bei den Schwellenländern fiel die Aktienmarktperformance recht unterschiedlich aus. Übergeordnet verbuchte man eine Wertentwicklung von knapp über 3%, die eher in Südamerika und Osteuropa geholt wurde und weniger in Asien. Dies war umso enttäuschender, da man sich vor allem von China durch die Öffnung nach der Covidpandemie und dem Auflösen der Lieferkettenengpässe mehr Durchschlagskraft erwartet hätte.
Rentenmarkt
Der bereits erwähnte Zinserhöhungszyklus der Notenbanken bringt dem Anleger eine fast schon vergessene Anlageklasse zurück. Anleihen rentieren mittlerweile je nach Risikograd für einen EUR-Investor zwischen 3% und 7% und können nun wieder verstärkt zur Diversifikation eines breit gestreuten Anlagedepots eingesetzt werden. Natürlich war der Weg bis zu diesem Zinsniveau sehr steinig und im letzten Jahr gehörten Anleihen zu den größten Verlierern. Mit Blick nach vorne zeigt sich für diese Anlageklasse jedoch fast schon ein „Goldilocks-Szenario“. Denn bleiben die Zinsen auf aktuellem Niveau, rentieren die Anleihen, wie oben beschrieben, sehr ansehnlich. Sollten die Notenbanken zukünftig wieder eine expansivere Geldpolitik verfolgen, so besteht zusätzlich die Möglichkeit auf Kursgewinne aufgrund fallender Marktzinsen.
Aktuell sind vor allem Laufzeiten zwischen 1 und 5 Jahren interessant. Sobald jedoch die Notenbanken zu einer Umkehr ihrer aktuell restriktiven Notenbankpolitik übergehen, könnte man länger laufende Anleihen im Depot durchaus stärker gewichten. Diese Entscheidung hängt unter anderem von der weiteren Entwicklung der Kerninflation (Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel) ab, die sich in den letzten Monaten auf einem höheren Niveau zeigte, als es den Notenbanken lieb sein kann. Noch ist nicht absehbar, ob z. B. ein Inflationsniveau von 2% weiterhin angestrebt wird oder auch ein Niveau von um die 3% akzeptiert werden würde.
Währungen und Rohstoffe
Am Devisenmarkt zeigte sich eine differenzierte Entwicklung: Gegenüber dem amerikanischen Dollar wertete der Euro um knapp 2% auf. In Europa, insbesondere in Deutschland und seinen direkten Nachbarländern, hält sich der Preisdruck hartnäckiger als in den USA. Demnach ist es sehr wahrscheinlich, dass die EZB länger an der Zinsschraube drehen wird als die amerikanische Fed. Dies dürfte den Euro gegenüber dem US-Dollar weiter unterstützen. Schwächer zeigte sich der Euro gegenüber dem britischen Pfund mit knapp 3%, während der Yen um über 10% gegenüber dem Euro abwertete. Zum Schweizer Franken verbilligte sich unsere Gemeinschaftswährung um circa 1%.
Gold konnte um 3,04% aus Sicht eines Euro-Investors zulegen und stellt durch seine Korrelationseigenschaften weiterhin eine sinnvolle Diversifizierungsmöglichkeit in einem klassischen Renten- und Aktienportfolio dar.
Ausblick
Viele Fragen, welche die Investoren schon im ersten Halbjahr beschäftigten, werden auch im 2. Halbjahr im Blickpunkt stehen. Allen voran die Frage, ob die Gesamt- als auch die Kerninflation weiter zurückgehen wird? Dies wird die Geldpolitik der Notenbanken weiter bestimmen und abgeleitet die Märkte prägen.
Das fast schon vergessene Thema der europäischen Energieversorgung wird sich im Herbst erneut stellen. Zwar hat man mit LNG-Speichern und dem Ausbau erneuerbarer Energie Maßnahmen ergriffen, doch bleibt es abzuwarten, wie sich die Speicherkapazitäten bei einem nicht so warmen Winter entwickeln werden.
Die Unsicherheiten sind nach wie vor gegeben. Dennoch erwarten wir im Laufe des zweiten Halbjahres mehr Klarheit. Der jüngste Renditeanstieg bei sicheren Staats- und Unternehmensanleihen (Investmentgrade) dürfte sich nicht weiter fortsetzen, da der Leitzinsgipfel so gut wie erreicht sein dürfte. Das Rendite-Risiko-Profil von Anleihen guter Bonität ist attraktiv und wird von uns in den defensiven und ausgewogenen Portfoliostrukturen verstärkt integriert. Für langfristig orientierte Anleger führt dennoch kein Weg an Aktien vorbei, auch wenn die Anleiherenditen verlockend wirken. Die Prämie für Schwankungstoleranz und Durchhaltevermögen waren bisher stets überdurchschnittliche Renditen.
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