Das Marktumfeld im Rückblick

Das Jahr 2022 dürfte in vielerlei Hinsicht in die Geschichtsbücher eingehen. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar hat nicht nur auf geopolitischer Ebene weitreichende Konsequenzen. Vielmehr leidet die Weltwirtschaft noch immer unter den Folgen des resultierenden Angebotsschocks. In der Folge mussten die Zentralbanken die Zinsen schnell und massiv erhöhen, um die Nachfrage an das verringerte Angebot anzupassen. Kaufkraftverluste der Konsumenten, Produktions- und Investitionsrückgänge infolge der höheren Inflation und Zinsen sowie die anhaltenden Probleme in China (Zero Covid Strategie, Immobilienkrise) haben weltweit zu einer Wachstumsverlangsamung geführt.

Die Summe all dieser Faktoren erzeugt ein im Vergleich zu den Vorjahren massiv verändertes Wirtschafts- und Anlageszenario, das nach 2022 auch das Jahr 2023 entscheidend prägen wird.

Diese Veränderungen haben bereits 2022 schwere Verwerfungen und Korrekturen von historischem Ausmaß an vielen Anlagemärkten ausgelöst. Der Diversifikationsvorteil, der aus der Streuung eines Portfolios über Renten, Aktien und anderen Anlageklassen resultiert, hat schlecht funktioniert, da Renten und Aktien hoch korreliert waren und zur gleichen Zeit deutlich einbrachen. Zudem kam es zu starken Differenzierungen zwischen den einzelnen Aktiensektoren. Energietitel stiegen deutlich, zinssensitive und hoch bewertete Aktien u.a. aus dem Technologiebereich standen dagegen merklich unter Druck.

Historisch gesehen war 2022 eines der schlechtesten Jahre für diversifizierte Anlageportfolios, in dem die aggressivste geldpolitische Straffung seit mehr als 40 Jahren die Bewertung von Aktien, Anleihen und Immobilien gleichermaßen traf. Rohstoffe und Edelmetalle boten den einzigen Lichtblick, nicht zuletzt wegen Putins Krieg und der schwelenden Energiekrise.

Aktienmarkt

Der Energiepreisschock, aber auch deutlich gestiegene Nahrungsmittelpreise sorgten für eine Explosion bei den Inflationsraten und damit für eine Zeitenwende bei der Geldpolitik der globalen Notenbanken. Das Ende der Niedrigzinspolitik hat in der Folge nicht nur zu einem historischen Absturz an den Anleihemärkten geführt, sondern sorgte auch an den Aktienmärkten für starke Verluste. Besonders betroffen waren zinssensitive Sektoren wie Immobilen und Technologie. Kursverluste bei Einzelwerten von mehr als 50 Prozent waren hier keine Seltenheit.

In diesem schwierigen Umfeld musste der DAX ein Jahresminus von 12,3% hinnehmen. Das Jahrestief, das zu Beginn des 4. Quartals erreicht wurde, lag allerdings noch deutlich tiefer.

Die Abschläge beim Euro Stoxx 50-Index, dem Leitindex der Euro-Zone, lagen mit 11,7% in einer ähnlichen Größenordnung.

Sehr heterogen verlief die Entwicklung in lokaler Währung bei den verschiedenen US-Indizes: Während der technologielastige Nasdaq-Index mit einem Einbruch von 33% ein rabenschwarzes Jahr zu verzeichnen hatte, schnitt der Dow Jones-Index, in dem auch viele substanzstarke Aktien der „old economy“ vertreten sind, mit einem Rückgang von 8,8% vergleichsweise gut ab. Der marktbreite S&P 500 dagegen litt ebenfalls stark unter der Schwäche der Technologieaktien und beendete das Jahr mit einem kräftigen Minus von 19,4%.

Die schwache Wirtschaftsentwicklung in China, unter anderem auf Grund der Zero Covid Strategie, sorgte bei den wichtigsten Indizes der Schwellenländer ebenfalls für Kursrückgänge. Gegen den Trend konnte der indische Aktienmarkt das vergangene Jahr mit einem leichten Zuwachs von 4,4% abschließen.

Rentenmarkt

Angesichts der hohen Inflation haben die Zentralbanken weltweit ihre Geldpolitik drastisch gestrafft. Die hohen Energiepreise und die rasch steigenden Inflationserwartungen zwangen sie dazu, die Zinsen schneller und stärker zu erhöhen, als in früheren Straffungszyklen. Die Renditen stiegen deutlich, selbst bei Staatsanleihen aus Industrieländern. Die Renditen 10-jähriger US- und deutscher Staatsanleihen liegen bei 3,9% bzw. 2,4%, ein Plus von über 230 Basispunkten im Vergleich zum Jahresbeginn 2022.

Vor allem diese Entwicklung und die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine haben dafür gesorgt, dass das Jahr 2022 in Bezug auf die Wertentwicklung von Staats- und Unternehmensanleihen als das schwächste Jahr überhaupt in die Geschichte eingehen wird.

Egal auf welches Segment des Anleihemarktes man schaut, fast überall sind negative Wertentwicklungen im zweistelligen Prozentbereich zu verzeichnen. Anleihen aus der Eurozone weisen je nach Segment Kursverluste zwischen minus 13% (Pfandbriefe) und minus 18% (Deutsche Staatsanleihen) auf. Bei US-Staatsanleihen in lokaler Währung schlägt ein Verlust von knapp 13% zu Buche.

Dasselbe Bild ergibt sich bei den Unternehmensanleihen, auch hier kam es zu Verlusten in der Größenordnung von 14%. Am schwächsten entwickelten sich Britische Staatsanleihen mit einer Performance von rund minus 29%.

Diese Entwicklung mündet mit Blick nach vorn allerdings in eine eindeutig positive Botschaft: Der Zins ist zurück, und mit Anleihen kann wieder Geld verdient werden.

Währungen und Rohstoffe

Der Euro war mit gut 1,13 US-Dollar je Euro in das Jahr gestartet. Doch im Jahresverlauf ging es Stück für Stück bergab. Der Euro fiel unter die Parität und im Tief sogar unter die Marke von 0,96 US-Dollar je Euro. Die Hauptgründe für die Euro-Schwäche – und im Umkehrschluss für die Dollar-Stärke – sind schnell aufgezählt:

1. Der Krieg in der Ukraine, der den Konjunkturaufschwung abwürgte und zu einer veritablen Energiekrise samt
beschleunigter Inflation führte.
2. Die lange Zeit zögerliche Haltung der EZB, die sich mit der geldpolitischen Wende deutlich mehr Zeit ließ als die anderen großen Zentralbanken.
3. Während der US-Dollar als sicherer Anlagehafen von der Krise profitierte, ging Europa die „Friedensdividende“ der letzten Dekaden verloren und mit ihr auch die Attraktivität für die Anleger.

Die Regierungskapriolen in Großbritannien sind nicht spurlos am Britischen Pfund vorübergegangen. Die „Trussonomics“ mit schuldenfinanzierten Steuersenkungen hatten zu Panik am Anleihemarkt und zu einer Abwertung des Pfundes geführt. Es kam zu einer Reihe von Rücktritten (inklusive desjenigen von Kurzzeit-Premierministerin Liz Truss) und neben der personellen Neuaufstellung auch zu einer politischen Kehrtwende. Der neue Finanzminister setzt auf ein höheres Maß finanzpolitischer Solidität, was das Pfund stabilisierte.

Auch für Rohstoffe verlief das Jahr 2022 turbulent. Das bereits knappe Angebot an den physischen Märkten geriet durch den Ukrainekrieg und seine Folgen für die Lieferketten weiter unter Druck.

In einem Umfeld deutlich steigender (Real-)Zinsen verringert sich grundsätzlich die Attraktivität von Gold. Der im Jahresvergleich stagnierende Goldpreis (in US-Dollar) ist deshalb keine Überraschung und entspricht den Erwartungen. Aus EUR-Investorensicht konnte Gold dennoch um 5,9% als eine der wenigen Anlagesegmente in 2022 zulegen.

Ausblick – Ein schwieriges Jahr für die Wirtschaft, ein besseres für die Märkte

Die Ausgangsbasis für 2023 ist mit günstigeren Bewertungen, höheren Zinsen, dem noch immer verbreiteten Pessimismus, geringen Risikopositionen vieler Anleger und hohen Kassenbeständen deutlich besser als 2022. Grundsätzlich bietet das Ende des Zinserhöhungszyklus der Fed in unserem Basisszenario den globalen Aktien- und Rentenmärkten das Potenzial für eine Erholung.

Mit Blick auf das ökonomische Szenario sind für das Anlagejahr 2023 nur eingeschränkte Prognosen möglich. Viele
Entwicklungen sind vorerst noch durch die komplexen Folgen des Ukraine-Kriegs stark beeinflusst und verlaufen
somit eher „irregulär“. Auch die möglichen Auswirkungen hoher Inflationsraten sowie verschärfter globaler Zinsstraffung
lassen sich nur näherungsweise abschätzen.

In Europa spielt zudem noch das Problem stark gestiegener Energiepreise und deren künftige Dynamik eine zentrale Rolle für den Konjunkturverlauf. Verschärfend kommt hinzu, dass auch die wirtschaftliche Entwicklung Chinas zunehmende Risiken aufweist: Wachsender politischer Dirigismus und direkte Einflussnahme der Regierung Xi Jinping auf wichtige Bereiche der Wirtschaft gefährden das bisherige Wachstumsmodell der Volksrepublik und bremsen so die Weltwirtschaft.

Insgesamt ist davon auszugehen, dass 2023 durch deutliche Abschwächungen sowie rezessive Tendenzen in vielen
Bereichen der Weltwirtschaft geprägt sein wird. Dies bedeutet schwächere Unternehmensgewinne und latenten
Margendruck in konjunktursensitiven Sektoren.

Viele Aktienmärkte haben jedoch bereits 2022 ein verschlechtertes Fundamentalumfeld eingepreist. So liegen beispielsweise die aktuellen Bewertungsniveaus europäischer Aktien in der Nähe langjähriger Tiefstände, wodurch weiteres Abwärtspotenzial begrenzt ist. Ein „überstandener“ Winter in Kombination mit rückläufigen Energiepreisen würde europäischen Aktien 2023 spürbares Erholungspotenzial bieten. Aufgrund der strukturellen Schwächen des Euroraums, mit nur wenigen „Global Champions“ in zukunftsträchtigen Industrien, bleiben die strategischen Performancepotenziale europäischer Aktien jedoch begrenzt.

Auch die Aktienmärkte der Schwellenländer haben 2022 bereits viele Negativfaktoren eingepreist und verzeichnen aktuell
ein relativ attraktives Bewertungsniveau. 2023 bietet die Wirtschaftsentwicklung der meisten Schwellenländer,
trotz anhaltender Belastungen, eine moderat aufgehellte Perspektive. Für die Aktienmärkte lässt dies eine robuste Entwicklung möglich erscheinen.

Der US-amerikanische Aktienmarkt ist im Vergleich mit anderen Weltregionen trotz deutlichen Rückgängen in 2022 weiterhin höher bewertet, bietet aber wegen der hohen Energieautarkie der USA und der Präsenz global führender Technologiekonzerne mittelfristig das bessere Chance-Risiko-Profil.

Wichtige Unterstützung für die Aktienmärkte könnte dabei von den globalen Rentenmärkten ausgehen, die sich 2023 spürbar stabilisieren oder sogar leicht erholen sollten. Auch der Euro sollte sich 2023 moderat erholen, dürfte aber aufgrund struktureller Probleme sowie einer verfehlten Geldpolitik der EZB längerfristig zur Schwäche neigen.

Trotz temporärer Schwäche als Folge steigender Realzinsen behält der strategische Ausblick für Gold seine Attraktivität. Die hohe Verschuldung der Industrieländer zwingt deren Notenbanken auf absehbare Zeit zu einem sehr vorsichtigen Kurs, was einer stringenten Inflationsbekämpfung durch steigende Zinsen sehr enge Grenzen setzt. Die Erwartung zunehmender finanzieller Repression bleibt ein äußerst valides Argument, um an Gold festzuhalten.

Dennoch sind eindeutige, über längere Zeit stabile Trends an den Kapitalmärkten im kommenden Jahr eher unwahrscheinlich. Neben dem Faktor Geopolitik bleibt vor allem die Geldpolitik im stagflationären Umfeld ein zentraler Unsicherheitsfaktor. Folglich dürfte das Anlagejahr 2023 von Trendwechseln und Phasen höherer Volatilität gekennzeichnet sein.

Gleichwohl ist die Ausgangslage, basierend auf Bewertungskennzahlen, für diversifizierte Euro-Anleger mit einem langjährigen Anlagehorizont so attraktiv wie seit einer Dekade nicht mehr. Die Bewertung europäischer und Schwellenländer-Aktien ist im 10-Jahres-Vergleich sehr günstig. Euro-Anleihen bieten Renditen, wie wir es in den letzten zehn Jahren nicht erlebt haben.

Wir rechnen für 2023 daher trotz herausfordernden Rahmenbedingungen mit einem besseren Jahr für breit aufgestellte Anlageportfolios. Zudem sollte bei der anhaltend hohen Volatilität nicht außer Acht gelassen werden, dass insbesondere Aktien als Sachinvestment einen sehr guten Schutz vor Inflation bieten, sofern der Investitionshorizont von mindestens drei bis fünf Jahren nicht vernachlässigt wird.

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