Das Marktumfeld im Rückblick

2022 ist sicherlich alles andere als ein normales Börsenjahr. Die globalen Aktien- und Rentenmärkte stehen seit Monaten unter Druck. Zentrale Ursache ist die globale Inflationsdynamik. Massiver Preisdruck zwingt immer mehr Notenbanken, darunter auch die EZB, zu einer monetären Kehrtwende.

Zu Jahresbeginn war die Ausgangslage noch deutlich entspannter. Auch wenn die kräftige Erholung nach der Covid-19-Pandemie die Inflationsrate durch überschüssige Liquidität und anhaltende Lieferkettenturbulenzen bereits steigen ließ. Erschwerend kam hinzu, dass die Rohstoffpreise nach Russlands Invasion der Ukraine und der weltweiten Reaktion darauf deutlich anzogen.

Die globalen Zentralbanken reagierten mit Zinserhöhungen und einer Reduktion der Liquidität, wodurch viele Anlagen unattraktiver wurden. Im Zuge dieser Entwicklungen verloren sowohl Aktien als auch Anleihen deutlich an Wert.

Besonders hoch fielen die Kursrückgänge bei Wachstumswerten aus, deren Kurse zuvor – bei fallenden Zinsen – von stetig steigenden Bewertungen getrieben wurden. Auch der massive Absturz von Kryptowährungen ist ein klares Symptom restriktiver Zins- und Liquiditätsbedingungen. Einzig Rohstoffe und Rohstoffaktien konnten sich im ersten Halbjahr 2022 dem negativen Markttrend entziehen.

Aktienmarkt

Die Gemengelage aus hoher Inflation, steigenden Zinsen, Lockdown-Maßnahmen in China, russischem Angriffskrieg auf die Ukraine sowie die zuletzt aufkommenden Sorgen einer wirtschaftlichen Rezession belastete die Entwicklung an den Aktienmärkten deutlich und führte zu der schlechtesten Entwicklung bei Aktien aus Industrieländern innerhalb der letzten 50 Jahre.

So fällt die Halbjahres-Bilanz beim Blick auf bekannte Indizes ernüchternd aus. Die Kombination aus der Nähe zum Kriegsgebiet und der starken Abhängigkeit vom russischen Gas (das gilt insbesondere für Deutschland) machte Europa besonders anfällig und führte zu deutlichen Rückgängen bei europäischen Aktien (DAX -19,5%; EuroStoxx -19,6%). Aber auch US-Aktien büßten aufgrund der scharfen Zinswende der US-Notenbank in vergleichbarem Ausmaß ein (Dow Jones -15,5%; S&P 500 -20,6%). Noch stärker unter Druck standen dabei insbesondere alle Marktsegmente mit hoher Zinssensitivität, also speziell hoch bewertete Wachstumsaktien.

Bei den Schwellenländern fiel die Aktienmarktperformance recht unterschiedlich aus. Die osteuropäischen Aktienmärkte entwickelten sich aufgrund der geographischen Nähe und der Abhängigkeit von den russischen Energielieferungen besonders schlecht. Die südamerikanischen Länder zeigten sich von dem Konflikt unbeeindruckt, da diese keine wirtschaftlichen Abhängigkeiten zu Russland aufweisen und von dem Anstieg der Rohstoffpreise profitierten. Auch die asiatischen Länder zeigten sich robust. So liegt das Minus an den brasilianischen, chinesischen und indischen Aktienmärkten „nur“ im einstelligen Prozentbereich.

Rentenmarkt

Die zu hohe und vor allem auf breiter Basis ansteigende Verteuerung der Konsumentenpreise zwingt die Zentralbanken vieler Länder zu Zinserhöhungen. Hier sind sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten zu beobachten. Die amerikanische Zentralbank hat das Tempo ihrer Zinserhöhungen klar beschleunigt und begann zudem im Juni mit dem sogenannten „Quantitativen Tightening“, einer restriktiveren Geldpolitik über eine Reduktion ihrer Zentralbankbilanz. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat Zinserhöhungen angekündigt, agiert aber eher zurückhaltend, was aufgrund der Vielzahl hochverschuldeter Südländer auch nur verständlich ist. Proaktiv war jüngst die Schweizer Nationalbank (SNB), indem sie bei „nur“ 2,9% schweizerischer Inflation den Leitzins völlig überraschend nach 15 Jahren konstantem Negativzins von -0,75% um 0,5% auf -0,25% anhob. Die Märkte erwarten nun, dass die Zinssätze in den USA, im Vereinigten Königreich und in Europa bis zum nächsten Jahr auf 3,4%, 3% bzw. 1,6% steigen werden.

Im Zuge der anziehenden Inflation und der restriktiveren Notenbankpolitik sind die Anleihenzinsen weltweit in einem rasanten Tempo angestiegen. Staats- und Unternehmensanleihen verzeichnen zwischenzeitlich wieder ein Zinsniveau, wie man es zuletzt vor vielen Jahren gesehen hat. So stieg etwa die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen zuletzt auf über 1,6% und damit auf den höchsten Stand seit rund acht Jahren. Auch Kreditrisikoprämien für Unternehmensanleihen sind signifikant angestiegen.

Dies schafft Opportunitäten, auch wenn der Zinsanstieg voraussichtlich noch nicht abgeschlossen ist und sich in den kommenden Wochen wohl noch fortsetzen wird. Der Druck auf die Anleihenkurse bleibt somit zunächst bestehen. Wir empfehlen deswegen, Anleihen generell unterzugewichten und auf kürzere Laufzeiten zu achten um die Zinsempfindlichkeit gering zu halten.

Währungen und Rohstoffe

Am Devisenmarkt zeigt sich eine differenzierte Entwicklung: Gegenüber dem amerikanischen Dollar wertete der Euro um knapp 8% ab. Auch gegenüber dem Schweizer Franken verbilligte sich der Euro um 3,5%. Ein Grund liegt in der im Vergleich zur FED und SNB zögerlichen Geldpolitik der EZB. Fester zeigte sich der Euro gegenüber dem britischen Pfund und dem japanischen Yen und wertete um 2,5 bzw. 8,7% auf.

Am Rohstoffmarkt waren starke Preisbewegungen zu verzeichnen. So stieg beispielsweise der Ölpreis (Brent) um über 47% an. Leere Lager, ein eingeschränktes Angebot und eine anhaltend hohe Nachfrage führten zur Überstrapazierung der Rohstoffmärkte. Die Situation war noch auf die Folgen der Pandemie zurückzuführen, als die internationalen Lieferketten gestört und erst nach und nach wiederaufgebaut wurden. Der Angriffskrieg auf die Ukraine hat diese Entwicklung durch Sanktionsmaßnahmen zusätzlich befeuert. In manchen Teilbereichen ist aber auch eine Entspannung zu verzeichnen. So verbilligten sich Industriemetalle (S&P GSCI Index) im Zuge der wirtschaftlichen Abkühlung in China um rund 12%.

Gold konnte um 9,6% aus Sicht eines Euro-Investors zulegen und stellte eine bessere Diversifizierungsmöglichkeit für Aktienportfolios dar als Staatsanleihen.

Ausblick

Im zweiten Halbjahr könnte sich die Situation etwas entspannen: Die Inflation dürfte zwar auf hohem Niveau verharren, die Dynamik des Preisauftriebs jedoch zurückgehen. Das wird der US-amerikanischen Notenbank FED die Möglichkeit geben, ihren monetären Straffungskurs zu verlangsamen. Der Druck stark steigender Zinsen und gleichzeitiger Risikoaversion der Anleger könnte dann merklich nachlassen.

Die Aktienmarktentwicklung nimmt bereits einen deutlichen Verfall des globalen Einkaufsmanagerindex der Industrie von 53 Punkten Ende Juni auf weit unter die Wachstumsmarke von 50 Punkten voraus, was einen wirtschaftlichen Rückgang impliziert. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Aktien liegt in den USA unter dem 30-jährigen Durchschnitt, in Europa sogar deutlich darunter. Stimmung und Positionierung sind in weiten Teilen sehr pessimistisch. Im Moment rechnen die Wenigstens am Markt mit positiven Nachrichten. Wenn sich jedoch zumindest einer der drei großen Belastungsfaktoren (Krieg in der Ukraine, Inflation und geldpolitische Straffung, Lockdowns in China) fundamental zum Besseren wenden sollte, könnte dies an den Aktienmärkten einen deutlichen Aufwärtsschub auslösen.

Deshalb halten wir es für falsch, sich komplett dem weit verbreiteten Pessimismus zu verschreiben und eine mögliche Markterholung zu verpassen. Auch wenn es kurz- und mittelfristig undurchsichtig und volatil bleiben wird und es möglicherweise noch einer finalen Kapitulation der Anleger mit dem Unterschreiten der alten Tiefs bedarf, bleiben wir langfristig positiv gestimmt. In dem weiterhin unsicheren Umfeld mit kommendem Liquiditätsentzug durch die Reduktion der Bilanz der Notenbanken, Zinserhöhungen und Krieg bleibt eine breite Diversifikation und eine ausgewogene Positionierung wichtig.

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